Kinder begleiten

Kinder begleiten ist viel mehr Beziehung als Erziehung. Die Beziehung beginnt in der Schwangerschaft (prä-, peri- und postnatale Psychologie). Meine pädagogische Haltung beinhaltet auch den traumapädagogischen Hintergrund.

Respekt ist ein wichtiger Baustein: das Wesen eines Kindes zu erkennen und seine Andersartigkeit sein zu lassen. Für die meisten Eltern ist dies ein Lernprozess. Respektiert werden in der persönlichen Eigenart gibt den Kindern einen wertvollen Rückhalt, sich selbst treu sein zu dürfen. Dafür muss das vermeintliche Wissen darum, wie «es geht», was richtig und falsch ist, was wichtig für das Kind zu sein scheint, von den Eltern überdacht, gefühlt und oftmals losgelassen werden. Dadurch gewinnen Eltern eine neue Gelassenheit. Es ist hilfreich für die Beziehung mit den Kindern immer wieder aufs Neue offen zu sein, wie die Entwicklung der Kinder ist und wie sie ihre Lebensentwürfe gestalten; auf der persönlichen Ebene wie auch deren Ausbildungsweg betreffend.

Liebe und Autonomie sind zwei Grundpfeiler von wesentlicher Bedeutung im Begleiten der Kinder. Liebe als eine Herzensangelegenheit, die Bindung mit sich bringt. Biologische Eltern zu sein, «es» gut meinen, sich Mühe geben, eigene Grenzen sprengen, sich aufzuopfern, sowie die Tatsache, dass die Kinder einem wichtig sind, beinhaltet nicht zwangsläufig Liebe. Autonomie bedeutet, sich gemäss dem ureigenen Lebensplan und der eigenen Persönlichkeit entwickeln zu können, ohne – im besten Fall – bewertet zu werden. Wichtiger als das äussere, verbale Verhalten der Eltern ist die innere, non-verbale Einladung der Eltern, unter Umständen ganz anders sein zu können als sie selbst es sind.

Für das emotionale Gleichgewicht, für die Lebensfreude und die Zufriedenheit, ist es von grosser Bedeutung, autonom und seinen eigenen Bedürfnissen entsprechend das eigene Leben zu gestalten und ein Gefühl in sich zu tragen, dass dies von den Eltern her nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist. Für Kinder ist es wesentlich einfacher, sich auf der emotionalen Ebene autonom zu fühlen und sich irgendwann im Guten abzulösen, wenn beide Elternteile ein sinnhaftes, erfülltes Leben leben. Dabei ist die Lebensfreude der Eltern ein wichtiger Baustein. Ist diese bei einem oder beiden Eltern nicht gegeben, ist es in der Natur der Kinder (kleinen wie grossen), sich als Belastung zu erleben und als verantwortlich für das elterliche Unwohlsein. Ausdruck davon können Schwierigkeiten sein.

Beziehung ist Bindung. Sich mit der Bindung zu den Kindern auseinander zu setzen, impliziert die Aufarbeitung der Bindung zu den eigenen Eltern und zu Fragen: „Wie stabil stehe ich im Leben? Welche Trauer, Wut, Schock trage ich aus meiner Vergangenheit noch in mir? Wie steht es um meinen eigenen Lebenssinn, abgesehen vom Elternsein? Wie lebensfreudig bin ich? Wie ist meine Beziehung zu den eigenen Eltern, zur eigenen Ursprungsfamilie?“ Das heisst, sich mit den Gefühlen aus der eigenen Kindheit auseinander zu setzen. Fragen können aufgeworfen werden zur Beziehungsqualität während der eigenen Schwangerschaft, Geburt und der wichtigen Zeit danach. Genauso wertvoll kann es sein, diese Zeit mit den eigenen Kindern zu erkennen, bzw. vor allem zu fühlen (prä-, peri- nun postnatale Psychologie). Auch wenn die ursprüngliche Bindungsgeschichte herausfordernd war (wenn bspw. schwierige Gefühle da waren, wie Angst um das Kind, eigene Schwierigkeiten, Stress in der Partnerschaft, usw.) kann sich diese verändern. Bindung hat viel damit zu tun, in Beziehungen innerlich konstant verbunden und präsent zu bleiben, in Wärme und Offenheit, jenseits der eigenen Bedürfnisse. Dies auch, wenn es im äusseren Kontakt Turbulenzen gibt. Damit dies gelingt, ist es wichtig zu lernen, aus der «erwachsenen Perspektive» in Beziehung zu sein. Das heisst, ich gebe mir selbst Halt, wenn ich mich unwohl fühle. Bindung ist ein Ort jenseits von kontrollieren und klammern. Emotionen zulassen, die mit der eigenen Bindungsgeschichte zu tun haben lösen oftmals Unwohlsein aus. Ebenso kann dies im Fühlen der Bindungsgeschichte mit jedem einzelnen Kind geschehen. Phasen der Trauer, der Schuldgefühle und der Unzulänglichkeit können nagen, bzw. gehören sie zum Prozess. Manchmal ist man als Eltern Situationen und Verhaltensweisen durch die Kinder ausgesetzt, die einem zusetzen, die man nicht versteht, die vielleicht Schuldgefühle auslösen, Angst machen und Fragezeichen zu der Beziehungsqualität zum eigenen Kind setzen und zum eigenen Erziehungsstil. Wenn es schwierig mit Kindern ist, ist das bekanntlich ein Schmerz, der in grosse Tiefen führt, erschüttert und berührt. Kinder haben die Fähigkeit, unbewusst unsere blinden Flecken anzurühren und Dinge an die Oberfläche zu bringen, die wir verdrängt halten. Dies sind die Chancen, durch die Erfahrungen mit den Kindern zu wachsen. Wachsen durch die Herausforderung und wachsen, in dem man an der Beziehung «dran» bleibt, die eigenen Schatten im Gefühlsleben kennenlernt und die Verhaltensweisen allenfalls verändert. Beleidigt sein, verbale und non-verbale Vorwürfe, äusserlicher oder innerlicher Rückzug, rechthaben und besserwissen weichen einem reifen, regulierten Verhalten.

Das sinnvolle Durchlaufen solcher Episoden stärkt längerfristig und ermöglicht in der Gegenwart einen neuen Kontakt, der mit Sicherheit an Zufriedenheit und «guten Gefühlen» zunimmt, weil der Kontakt authentischer und somit ehrlicher und leichtfüssiger (ohne Bemühung, «gute» Eltern zu sein) verbunden ist. Ein Kontakt gegenseitiger Ehrlichkeit, verbunden und doch frei. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man aus
Verantwortlichkeit und/oder Schuldgefühlen gegenüber den Kindern handelt oder aus
Bindung. Für Kinder ist es eine wertvolle Ressource, einen oder beide Elternteile im Leben zu wissen, die ihnen ehrliche, respektvolle Rückmeldung geben, aber emotional stabil und ausgeglichen in der Beziehung sind.